Einführung #
Die Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Recht nimmt ihren Anfang stets in einem Verfahren bei der Behörde, in einem Verwaltungsverfahren. Das Verwaltungsverfahren beginnt, sobald die Behörde irgendetwas unternimmt, um einen Verwaltungsakt (= Bescheid) zu erlassen.
Verfahrensordnungen im öffentlichen Recht #
Die Regeln, an die sich die Behörde und auch der Bürger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens halten muss, sind im Verfahrensrecht geregelt. Dafür gibt es eigene Gesetze. Eben Verfahrensgesetze. Für das Sozialrecht heißt dieses Gesetz zum Beispiel Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz.
Geht es also darum, zu klären, ob eine Behörde die Regeln des Verfahrens richtig angewendet hat, findet man die Lösungen hierzu im Verfahrensrecht.
Entscheidungen von Behörden können in gerichtlichen Verfahren angefochten werden. Die Gerichte sind ihrerseits an Regeln gebunden, die ihnen auferlegen „wie“ sie zu einer Entscheidung, also einem Urteil oder einem Beschluss kommen. Diese Regeln sind in den Gerichtsordnungen geregelt.
Für den Laien ist es oft schwierig zu durchschauen, welches Verfahrensrecht in welchem Verfahrensstadium und in welchem Rechtsgebiet Anwendung findet. Die Grundregel im öffentlichen Recht lautet:
Grundsätzlich gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für Streitigkeiten im öffentlichen Recht. Es gibt allerdings Bereiche im öffentlichen Recht, für die der Gesetzgeber aufgrund ihrer Besonderheiten und aufgrund ihres Umfangs ein besonderes Verfahrensrecht und auch eigene Gerichtszweige geschaffen hat. Hierzu gehört auch das Sozialrecht.
Beim Sozialrecht gibt es noch die Besonderheit, dass im Jugendhilferecht – obwohl es sich beim Jugendhilferecht um Sozialrecht handelt – die Verwaltungsgerichte zuständig sind und deshalb die Verwaltungsgerichtsordnung gilt.
Verwaltungsrecht | Sozialrecht | Steuerrecht | |
---|---|---|---|
Verfahrensordnung | Verwaltungsverfahrensgesetz | Sozialgesetzbuch X | Abgabenordnung |
Gerichtsordnung | Verwaltungsgerichtsordnung | Sozialgerichtsgesetz | Finanzgerichtsordnung |
Daraus folgt für das recht der Eingliederungshilfe:
- Ansprüche nach dem SGB VIII: Verwaltungsverfahren (VwVfG) und Verwaltungsgericht (VwGO)
- Ansprüche nach dem SGB IX: Verfahren nach dem SGB X und Sozialgericht (SGG)
Hauptsacheverfahren #
Will ein Leistungsberechtigter sein Rechtsanspruch durchsetzen, beginnt das Verfahren regelmäßig mit einem Antrag auf die Leistung. Sodann erfolgt eine Entscheidung der Behörde. Dies Enscheidung heißt Bescheid oder Verwaltungsakt. Bescheid und Verwaltungsakt meinen der Sache nach das Gleiche. Gegen den Verwaltungsakt kann der Betroffene ein Rechtsmittel einlegen. In der Regel ist dies zunächst ein Widerspruch. Es gibt aber auch Bundesländer, in denen sogleich bei Gericht gegen den Bescheid geklagt werden muss. Welches Rechtsmittel eingelegt werden muss (Widerspruch oder Klage) ergibt sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bescheid.
Die Entscheidung über den Widerspruch durch die Behörde heißt Widerspruchsbescheid. Gegen den Widerspruchsbescheid kann wiederum ein Rechtsmittel eingelegt werden und zwar eine Klage. Die Klage wird bei Gericht erhoben. Das Gericht entscheidet über die Klage durch Urteil. Gegen ein solches Urteil kann nochmals ein Rechtsmittel eingelegt werden und zwar eine Berufung und unter gewissen Voraussetzungen eine Revision.
Verwaltungsververfahren
Das Verwaltungsverfahren wird durch einen Antrag oder von Amts wegen eingeleitet. Im Sozialverwaltungsrecht geht es in der Regel um Sozialleistungen, die einen Antrag voraussetzen.
Antrag
Mit dem Antrag muss der Bürger formulieren was er will – und zwar möglichst präzise.
Beispiel: “Hiermit beantrage ich die Bewilligung eines Hörgeräts des Typs “Juna 9, Hersteller: Bernafon AG“.
Der Antrag sollte immer begründet werden. Soweit es zum Nachweis des Bedarfs nach einer bestimmten Leistung irgendwelcher Gutachten oder ärztlicher Stellungnahmen bedarf (wie z.b. beim Hörgerät) und solche Gutachten vorliegen, sollten diese Gutachten dem Antrag auch beigefügt werden (Kopien reichen).
Für den Laien ist es oft schwer herauszufinden, welche Behörde für die Leistungen zuständig ist. Grundsätzlich sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Sozialleistungsträger zu stellen.
Lesen Sie: § 16 Abs. 1 S. 1 SGB I
Wenn der Antrag bei einem unzuständigen Sozialleistungsträger gestellt wurde, ist dieser unzuständige Sozialleistungsträger jedoch verpflichtet, den Antrag unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten.
Lesen Sie: § 16 Abs. 2 S. 1 SGB I
Wenn Unsicherheiten bestehen, ob der Sozialleistungsträger, bei dem man den Antrag stellt, wirklich zuständig ist, ist es sinnvoll, bereits im Antrag auf diese Vorschrift hinzuweisen.
Beispiel: „Falls Sie aus Ihrer Sicht für die Gewährung der Leistung nicht zuständig sind, bitten wir um Weiterleitung an den zuständigen Träger (§ 16 SGB I).“
das Auffinden der zuständigen Behörde erleichtern.
Anträge auf Sozialleistungen sollten grundsätzlich schriftlich gestellt werden. Die antragstellende Person sollte sich entweder eine Eingangsbestätigung ausstellen lassen oder aber den Antrag per Einschreiben an die Behörde senden. Ein kostengünstiges „Einwurfeinschreiben“ reicht zum Nachweis.
Handlungsfähigkeit
Kinder und Jugendliche müssen sich grundsätzlich von ihren Eltern vertreten lassen (vgl. § 1629 BGB)
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält § 36 Abs. 1 SGB I, wonach ein junger Mensch, der das 15. Lebensjahr vollendet hat, Anträge auf Sozialleistungen stellen, verfolgen und entgegennehmen kann. Diese sozialrechtliche Handlungsfähigkeit kann von den Eltern jedoch durch schriftliche Erklärung wieder beschränkt werden (§ 36 Abs. 2 SGB I).
Bevollmächtige und Beistände
Beteiligte können sich im Verwaltungsverfahren durch Bevollmächtigte und Beistände vertreten lassen.
Lesen Sie: § 13 SGB X
Untersuchungsgrundsatz
Ein zentrales Prinzip des Sozialverwaltungsverfahrens ist der Untersuchungsgrundsatz. Er wird auch Amtsermittlungsgrundsatz genannt. Das bedeutet, dass die Behörde von sich aus alle für den Einzelfall bedeutsamen Tatsachen ermitteln muss. Dies gilt insbesondere auch für die Beteiligten günstigen Umstände.
Lesen Sie: § 20 SGB X
Der Amtsermittlungsgrundsatz bedeutet für die Hilfesuchenden eine wesentliche Erleichterung, weil die Rechtsverfolgung – anders als zum Beispiel im Zivilprozess – nicht davon abhängig ist, dass alle für den Fall relevanten Tatsachen von Anfang an vorgetragen und bewiesen werden.
Die Behörde bestimmt im Rahmen der Amtsermittlung Art und Umfang der Ermittlungen. Sie bedient sich der erforderlichen Beweismittel.
Lesen Sie: § 21 SGB X
Mitwirkungspflichten
Im Rahmen der Amtsermittlung ist die Behörde in der Regel auf eine umfassende Mitwirkung der Leistungsberechtigten angewiesen. Diese Mitwirkung kann insbesondere im Bereich des Teilhaberechts auch die Mitwirkung an Untersuchungen, Heilbehandlungen und Begutachtungen umfassen. Grundsätzlich ist jeder Leistungsberechtigte zu umfassender Mitwirkung verpflichtet.
Lesen Sie: §§ 60 – 67 SGB I
Akteneinsicht
Die Behörde muss allen Beteiligten in Verwaltungsverfahren Akteneinsicht gewähren, wenn die Kenntnis der Akten für die Rechtsverfolgung erforderlich ist. Davon ist in der Regel auszugehen. Das Akteneinsichtsrecht darf nur im Ausnahmefall verweigert werden.
Lesen Sie: § 25 Abs. 1 SGB X
Zu diesen Ausnahmefällen gehört die Verweigerung von Akteneinsicht in Fällen, in denen berechtigte Interessen anderer Personen betroffen sind. So können zum Beispiel Akten oder Teile von Akten zurückgehalten werden, wenn Personen geschützt werden sollen, die eine Kindeswohlgefährdung offenbart haben.
Lesen Sie: § 25 Abs. 3 SGB X
Bescheid / Verwaltungsakt
Die Feststellungen, welche eine Behörde in einem Verwaltungsakt verfügt hat, gelten gegenüber dem Bürger. Sie gelten grundsätzlich auch dann, wenn sie falsch und rechtswidrig sind. Die Feststellungen, welche eine Behörde in einem Verwaltungsakt trifft, haben also einen ähnlichen Charakter, wie Urteile von Gerichten. Sie stellen gegenüber dem Bürger hoheitlich verbindlich das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten im Einzelfall fest. Deshalb lautet die Definition des Verwaltungsaktes auch: Verwaltungsakte sind hoheitliche Regelungen eines Einzelfalles mit Außenwirkung.
Lesen Sie: § 35 VwVfG und § 31 SGB X sowie § 43 Abs. 2 VwVfG und § 39 Abs. 2 SGB X
Beispiel: Wurde die (rechtswidrige) Entscheidung getroffen, dass Frau Rochlitz ihr Gartenhaus abreißen muss, so gilt diese Entscheidung und kann von der Behörde im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden. Im Zweifel auch mit Gewalt. Will Frau Rochlitz dies nicht akzeptieren, so muss sie gegen die Entscheidung rechtzeitig Widerspruch und ggf. weitere Rechtsmittel einlegen. Der Widerspruch und auch die weiteren Rechtsmittel führen grundsätzlich dazu, dass die getroffene Entscheidung so lange nicht wirksam ist und auch so lange nicht vollstreckt werden kann bis über das Rechtsmittel entschieden wurde.
Lesen Sie: § 80 Abs. 1 VwGO und § 86a Abs. 1 SGG
Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, die im Detail hier nicht erklärt werden können.
Lesen Sie: § 80 Abs. 2 VwGO und § 86a Abs. 2 SGG
Widerspruch
Wird gegen einen Verwaltungsakt kein Widerspruch eingelegt, so wird dieser rechtskräftig. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich gegen den Bescheid nichts weiter unternommen werden kann. Von diesem Prinzip gibt es vor allem in Sozialrecht Ausnahmen, die später erläutert werden (Überprüfungsantrag).
Es ist deshalb ausgesprochen wichtig, darauf zu achten, dass gegen Behördenentscheidungen, die nicht akzeptiert werden sollen, rechtzeitig Widerspruch eingelegt wird.
Der Widerspruch kann ohne Begründung eingelegt werden. Es reicht aus, den Bescheid zu bezeichnen, gegen den Widerspruch eingelegt wird. Es muss die Behörde, das Aktenzeichen und das Datum des Bescheides genannt werden.
Beispiel: „Gegen den Bescheid des Bauamtes der Stadt Osnabrück, Aktenzeichen 23 OS 471 lege ich Widerspruch ein.“
Der Widerspruch muss zwar nicht, er sollte aber begründet werden. Bei einem Widerspruch, der nicht begründet wird, fordert die Behörde in aller Regel dazu auf, die Begründung innerhalb einer bestimmten Frist nachzuholen. Wird der Widerspruch nicht begründet, erfolgt eine Entscheidung nach Aktenlage.
Oftmals legen Betroffene keinen Widerspruch ein, weil sie unter dem Druck der Frist nicht wissen, wie sie den Widerspruch begründen sollen. In solchen Fällen sollte auf jeden Fall ein Widerspruch zunächst ohne Begründung eingelegt werden. Es ist immer besser, den Widerspruch zunächst überhaupt einzulegen, damit die Frist nicht abläuft und damit der Bescheid nicht rechtskräftig wird. Entscheidet sich die Person später, das Widerspruchsverfahren nicht durchführen zu wollen, kann der Widerspruch jederzeit zurückgenommen werden. Soll das Widerspruchsverfahren dagegen durchgeführt werden, kann die Begründung nachgeholt werden.
Fristen
Für die Berechnung von Fristen gelten die Regelungen des BGB.
Lesen Sie: § 26 Abs. 1 SGB X sowie §§ 186 – 193 BGB
Die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs und auch einer Klage beträgt einen Monat (nicht vier Wochen!). Die Frist beginnt am Tage des Zugangs des Bescheides zu laufen und endet am selben Kalendertag des darauffolgenden Monats.
Beispiel: Zugang des Verwaltungsaktes am 23. Februar eines Jahres. Ablauf der Frist am 23. März desselben Jahres.
Handelt es sich bei dem Tag des Fristablaufes um einen Samstag, einen Sonntag oder einen Feiertag, läuft an diesem Tag keine Frist ab. Die Frist läuft dann am nächsten Werktag ab.
Beispiel: Zugang des Schreibens am 23. Februar eines Jahres. Ist der 23. März desselben Jahres ein Samstag, läuft die Frist am darauffolgenden Montag, dem 25. März ab.
Weil die Versäumung von Fristen sehr negative Folgen haben kann, sollte auf behördlichen Schreiben das Datum des Zugangs notiert und im Kalender das Datum des Fristablaufs notiert werden. Am besten auch eine „Vorfrist“ von einer Woche, um genügend Zeit für die Umsetzung des Widerspruchsschreibens zu haben.
Soweit ein Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, oder die Rechtsbehelfsbelehrung falsch ist, beträgt die Widerspruchsfrist ein Jahr.
Die Rechtsbehelfsbelehrung enthält auch die Angaben zur Behörde, bei der der Widerspruch einzulegen ist. In der Regel ist dies die Behörde, die den Bescheid auch erlassen hat.
Form
Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. Die Schriftform wird nicht durch E-Mail gewahrt. Wohl aber durch ein Fax.
Lesen Sie: § 70 Abs. 1 VwGO und § 84 Abs. 1 SGG
Abschaffung des Widerspruchsverfahrens
In einigen Bundesländern ist das Vorverfahren in bestimmten Bereichen des Verwaltungsrechts (nicht des Sozialrechts!) durch Landesgesetz abgeschafft. Ist das Vorverfahren abgeschafft, so kann und muss gegen einen Bescheid sofort, also ohne vorheriges Widerspruchsverfahren geklagt werden. Betroffen sind folgende Bundesländer:
- Bayern: Art. 15 AG VwGO Bay
- Niedersachsen: § 80 Abs. 1 NJG
- Nordrhein-Westfalen: § 6 AG VwGO NRW
Wenn der Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, ergibt sich dieses in der Regel aus der Rechtsbehelfsbelehrung, in der dann formuliert wird, dass gegen den Bescheid vor dem genannten Gericht (sofort) „Klage erhoben“ werden kann. Wenn das Widerspruchsverfahren nicht abgeschafft ist, ist in der Rechtsbehelfsbelehrung formuliert, dass gegen den Bescheid bei der genannten Behörde „Widerspruch“ eingelegt werden kann.
Widerspruchsbescheid
Die Behörde prüft den Bescheid im Widerspruchsverfahren noch einmal in vollem Umfang. Sodann ergeht ein Widerspruchsbescheid.
Klage
Der Widerspruchsbescheid kann erneut und zwar durch eine Klage beim Gericht angefochten werden. Geht es um eine Streitigkeit im Bereich des Sozialrechts, ist grundsätzlich das Sozialgericht, welches für den Wohnsitz der klagenden Partei verantwortlich ist, zuständig. Welches Gericht das ist, kann man durch Eingabe der Postleitzahl der klagenden Partei beim Justizportal des Bundes und der Länder ermitteln.
Im Sozialrecht gibt es eine Ausnahme von der Zuständigkeit der Sozialgerichte. Diese betrifft das Kinder- und Jugendhilferecht. Hier sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Das richtige Verwaltungsgericht ist dasjenige Verwaltungsgericht, welches für den Sitz der beklagten Behörde zuständig ist. In diesem Fall muss man also im Zuständigkeitsfinder die Postleitzahl der beklagten Behörde eingeben.
Im Hinblick auf die Fristen gelten die gleichen Prinzipien, wie beim Bescheid.
Also: Anfechtung innerhalb eines Monats durch Klage.
Eine Klage kann grundsätzlich nur durchgeführt werden, wenn zuvor ein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde.
Lesen Sie: § 68 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO gilt für alle Streitigkeit im Kinder- und Jugendhilferecht Lesen Sie: § 78 Abs. 1. S. 1 und Abs. 3 SGGG (ist einschlägig für alle anderen sozialrechtlichen Streitigkiten)
Deshalb nennt man das Widerspruchsverfahren auch Vorverfahren.
Von diesen Prinzip gibt es Ausnahmen:
Ist über einen
- Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes oder
- über einen Widerspruch
ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht rechtzeitig einschieden worden kann Untätigkeitsklage erhoben werden.
Hinsichtlich der Fristen gibt es unterschiede zwischen Verfahren, die vor den Verwaltungsgerichten geführt werden müssen und solchen, die vor den Sozialgerichten geführt werden müssen. So sind Streitigkeiten im Kinder- und Jugendhilferecht den Verwaltungsgerichten, die meisten anderen sozialrechtlichen Streitigkeiten dagegen den Sozialgerichten zugewiesen.
Für die Untätigkeitkeitsklage bei den Verwaltungsgerichten gilt eine Frist von 3 Monaten.
Lesen Sie: § 75 VwGO
Für die Untätigkeitkeitsklage bei den Sozialgerichten gilt eine Frist von 6 Monaten.
Lesen Sie: § 88 SGG
Eilverfahren #
Die Verfahren in der Hauptsache dauern oft sehr lange. Wird ein Fall nicht im Widerspruchsverfahren abgeschlossen und folgt ein gerichtliches Verfahren, so kann die Verfahrensdauer schnell ein Jahr und sogar mehrere Jahre dauern. Geht es zum Beispiel um Sozialleistungen, kommt eine Entscheidung oft zu spät. Denn sowohl materielle Hilfen (zum Beispiel Arbeitslosengeld) oder auch Dienstleistungen (zum Beispiel Pflegeleistungen) müssen in der Regel sofort gewährt werden.
Geht es um einen Fall, in dem ein Bürger eine Leistung vom Staat begehrt und wurde ein Antrag abgelehnt oder nicht rechtzeitig entschieden, besteht die Möglichkeit, ein Eilverfahren einzuleiten. Dafür ist ein „Eilantrag“ an das zuständige Gericht erforderlich. Dieser Antrag heißt in der Rechtssprache „Antrag auf Erlass einer einstweiligen“ Anordnung. Gemeint ist, dass das Gericht im Hinblick auf die begehrte Leistung „einstweilen“, also vorläufig etwas anordnet. Es wird eine vorläufige Entscheidung durch einen Beschluss getroffen. Vorläufig und so lange, bis in der Hauptsache endgültig entschieden wurde.
Diese Eilverfahren spielen im Sozialleistungsrecht eine sehr wichtige Rolle, denn sie führen häufig dazu, dass schon im Eilverfahren eine endgültige Lösung erzielt wird. Oft werden im Eilverfahren zwischen der Behörde einerseits und dem Bürger andererseits Lösungen erzielt, die dauerhaft tragfähig sind.
Es gibt ganze Rechtsgebiete, in denen ein sehr großer Teil der gerichtlichen Auseinandersetzungen im Eilverfahren entschieden wird. Der Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende gehört zum Beispiel dazu.
Im Eilverfahren müssen gegenüber dem Gericht – wie im Hauptsacheverfahren auch – die Tatsachen dargelegt werden, die den Anspruch begründen.
Beispiel: Frau Rochlitz ist 19 Jahre alt und will Hilfe für junge Volljährige in einer Jugendhilfeeinrichtung erhalten. Sie muss die Tatsachen vortragen, die deutlich machen, warum sie zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung nicht in der Lage ist. Zum Beispiel, weil sie infolge einer Inhaftierung noch nicht über die notwendigen Ressourcen für eine eigenverantwortliche Lebensführung verfügt. Will sie ihre Ansprüche im Eilverfahren durchsetzen, muss sie zusätzlich darlegen, dass sie die Hilfe sofort benötigt. Das liegt bei dieser Bedarfslage auf der Hand. Denn es ist klar, dass Frau Rochlitz dann, wenn sie nicht eigenständig leben kann, sofort Hilfe braucht.
Für einen Erfolg im Eilverfahren ist es sehr wichtig, die Eilbedürftigkeit gründlich zu begründen.
Überprüfungsantrag #
Ein sehr wichtiges und oft übersehenes Instrument ist der sozialrechtliche Überprüfungsantrag. Der Überprüfungsantrag kann gestellt werden, wenn Sozialleistungen zu Unrecht abgelehnt wurden. Die Besonderheit ist, dass dieser Antrag trotz Ablaufes einer Rechtsbehelfsfrist gestellt werden kann. Wird ein solcher Überprüfungsantrag gestellt, muss die Behörde den Fall nochmals prüfen und den Verwaltungsakt zurücknehmen, soweit er rechtswidrig war.
Lesen Sie: § 44 Abs. 1 SGB X
Beispiel: Frau Rochtlitz legt gegen einen Bescheid des BAföG-Amtes, mit dem ihr Leistungen verweigert werden, nicht rechtzeitig Widerspruch ein. Der Bescheid wird rechtskräftig. Sie kann einen Antrag nach § 44 Abs. 1 SGB X stellen. Die Behörde muss den Fall nochmals prüfen und ihr die Leistung gewähren, wenn der Bescheid rechtswidrig war.
Rechtsbehelfe gegen gerichtliche Entscheidungen #
Urteile können durch Berufung und Revision angefochten werden.
Beschlüsse im Eilverfahren durch Beschwerde.
Diese Rechtsmittel sollten nur mit anwaltlicher Unterstützung eingelegt werden.
Kosten des Verfahrens #
Für Verwaltungsentscheidungen und gerichtliche Entscheidungen entstehen Verwaltungsgebühren (Bsp.: Nieders. Verwaltungskostengesetz) und Gerichtsgebühren. Anwälte erhalten Rechtsanwaltsgebühren.
Im Sozialrecht entstehen für das Verfahren vor Behörden und Gerichten keine Kosten. Wohl aber können Anwaltsgebühren anfallen. Auch möglicherweise erforderliche Kosten für Gutachten werden von der Behörde bzw. dem Gericht übernommen.
Wer kein ausreichendes Einkommen hat, kann Prozesskostenhilfe erhalten, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtsverfolgung darf also nicht aussichtslos sein. Prozesskostenhilfe muss bei Gericht beantragt werden. Dazu muss eine „Erklärung über die persönlichen Verhältnisse“ eingereicht werden. Außerdem müssen Ausführungen zu den Erfolgsaussichten eines Verfahrens gemacht werden. Diese Ausführungen sind letztlich nichts anderes, als die Begründung der Klage selbst.
Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, werden die eigenen Anwaltskosten, die Verfahrenskosten und die Gerichtskosten übernommen. Auch etwaige Kosten für Gutachter und Sachverständige werden übernommen.